Der Traum – Unser nächtlicher Ausnahmezustand in Kultur und Religion. Das war der Titel der Tagung in der Katholischen Akademie in Bayern zu einem Phänomen, das als ein Faszinosum der Menschheitsgeschichte gelten kann. Der Herr gibt es den Seinen bekanntlich im Schlaf. Und es stimmt: Unsere täglich-nächtliche Bewusstlosigkeit versetzt uns keineswegs in „stand by“. Der Körper arbeitet auf Hochtouren an seiner Rekreation. Und auch das Gehirn ist höchst aktiv mit der Verarbeitung und Bewertung seiner Eindrücke aus dem Wachzustand beschäftigt. Wir bekommen wenig davon mit − genug jedoch, um eine Ahnung von jenem faszinierenden Zwischenzustand zu haben, in dem unser Bewusstsein verwandelt ist, zwischen Phantasie und Wirklichkeit, zwischen innerster Psyche und Begegnung mit dem ganz Anderen, manchmal täuschend realistisch, manchmal eine völlig andere Welt, manchmal unverständlich und krude, manchmal dicht an den Themen des Tages. Kein Wunder also, dass das Phänomen des Traums die Menschen in der Kulturgeschichte immer fasziniert hat, dass sie es beschrieben und besungen, gemalt und gedeutet, unterschätzt und überhöht haben. Dieser große Bogen wurde im Rahmen der Tagung abgeschritten, von den ältesten Zeugnissen vorderorientalischer Kulturen und dem griechisch-antiken Heilschlaf über die biblische Traumtheologie − und Traumkritik − bis hin zu unserer europäischen Kunst und Literatur. Und natürlich darf auch die Neurowissenschaft nicht fehlen: Was geschieht eigentlich „nachweislich“, wenn wir träumen? Das Referat von Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel trug den Titel „Thomas Manns Josephsroman“. Das Alte Testament erzählt von Joseph als kundigem Traumdeuter, von Träumen als göttlichen Botschaften: Kein Zufall, dass diese Geschichten einen Erzähler herausfordern mussten, der unter dem Einfluss von Sigmund Freud eine neue Sensibilität für Traumwelten als Ausdruck des Unbewussten entwickelte. Im seinem „Joseph“-Roman aber ist Träumen gar eine Seinsweise aller Protagonisten, ein Zurücksinken in einen Strom des Geistigen, in dem alles mit allem verbunden ist.