"Es kommt auf Jeden an"
P-Seminar in Corona-Zeiten
Damit Schüler die Grundlagen des Radiojournalismus und den Umgang mit dem Medium Radio erlernen, vermittelt und finanziert die BLM erfahrene Radio-Coaches aus dem lokalen Rundfunk an engagierte Schulradio-AGs in Bayern. Dabei sollen nicht nur Kompetenzen vermittelt, sondern auch direkt richtige Radiosendungen produziert werden. Die Mach Dein Radio-Coaches werden für mehrere Workshop-Einheiten an die Schulen geschickt. Unter anderem werden dabei auch P-Seminare von Oberstufen in Gymnasien unterstützt.
Zu einem dieser P-Seminare, dem des Gymnasiums Kirchheim, hat das Mach-Dein-Radio-Team ein Interview mit der zuständigen Lehrkraft Katharina Müller geführt. Sie erläutert uns, wie das P-Seminar trotz der Corona-Krise und den damit einhergehenden Einschränkungen vorangeht.
Das Interview
Frau Müller, Sie betreuen ein P-Seminar, das über ein Schuljahr hinweg eine Radiosendung auf die Beine stellen soll. Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass kein normaler Schulbetrieb mehr möglich ist. Trotz der widrigen Umstände arbeitet Ihr P-Seminar aktuell weiter am Projekt. Wie geht das ?
Die Schüler kommunizieren untereinander über WhatsApp – das ist jedoch aus Datenschutzgründen für den Austausch zwischen Schülern und Lehrkräften verboten.
Zunächst haben wir uns daher nur über die Plattform „mebis“ bzw. über Email ausgetauscht. Das war aber zu mühsam und langwierig, insbesondere für die Schüler, die ihre Mails nicht so regelmäßig abfragen. Daher haben wir eine Gruppe über den Messenger-Dienst „Wire“ eingerichtet, der ähnlich wie WhatsApp funktioniert. Hierüber ist die Kommunikation schnell und unkompliziert in der Gruppe möglich[...]. Wir nutzen Wire sowohl für Informationen, die die gesamte Gruppe betreffen, als auch für die 1:1-Kommunikation zwischen Lehrkraft und einzelnen Schüler*innen.
Allerdings eignet sich dieses Medium natürlich nicht dafür, um schwierigere Fragen zu klären oder um längere Absprachen im Team zu treffen. Dies geschieht bei uns in Gruppenkonferenzen: Anstelle unserer wöchentlichen Redaktionssitzungen kommunizieren wir nun alle gemeinsam über einen Chat, der über das Schülerportal unserer Schule für einzelne Gruppen eingerichtet werden kann und von den zuständigen Behörden auch als unbedenklich im Sinne des Datenschutzes eingestuft wurde. Vom Chat aus können wir auch direkt in ein „digitales Klassenzimmer“ wechseln, das ähnlich wie eine Skype- oder Zoom-Konferenz die Möglichkeit bietet, miteinander zu sprechen – mit oder auch ohne Bild. In den vergangenen Wochen haben wir immer einmal die Woche, manchmal auch zweimal die Woche etwa eine Stunde miteinander gechattet bzw. im digitalen Klassenzimmer besprochen, welche Interviews noch zu führen sind, wo Probleme liegen und wie diese gelöst werden könnten und wie die Aufgaben unter den einzelnen Seminarteilnehmern verteilt werden.
Wie motiviert ist die Gruppe?
Das diesjährige P-Seminar am Gymnasium Kirchheim ist außergewöhnlich klein – in vorherigen Radio-P-Seminaren hatte ich häufig bis zu 18 Schüler*innen zu betreuen, dieses Jahr sind es nur acht. Das bedeutet aber auch, dass sich kaum jemand rausziehen kann, das fällt anders als in großen Seminaren sofort auf. Natürlich gibt es auch in diesem Kurs einige Teilnehmer, die sich etwas mehr als andere engagieren, aber letztlich sind alle Schüler*innen hoch motiviert, an unserem Thema interessiert und bereit, ihren Teil dazu beizutragen, dass wir eine spannende Sendung produzieren können.
Hat das P-Seminar eine besondere Bedeutung für die Schülerinnen und Schüler?
Die Gruppe ist sicherlich zum Einen genau deshalb so motiviert, weil sie aus nicht so vielen Teilnehmern besteht und sie insgesamt einen guten Team-Spirit entwickelt hat: Es ist allen klar, dass es auf jede(n) einzelne(n) ankommt, wenn man eine packende Sendung entwickeln und gestalten möchte. Außerdem haben wir uns viel Zeit genommen, um für unsere Sendung ein Thema zu finden, was tatsächlich alle spannend finden – und das macht sich jetzt bezahlt, da die Schüler*innen Interviews zu den Themen führen und die Beiträge schreiben können, die sie sich selbst auch privat und aus Eigeninteresse anhören wollen und würden.
Ihre P-Seminargruppe behandelt ein sehr sensibles Thema: Gewalt an Kindern und Jugendlichen innerhalb der Familie. Dafür sollten sowohl Betroffene als auch Personen unterschiedlicher Beratungs- und Unterstützungsorganisationen interviewt werden. Einige Interviews konnten ja glücklicherweise vor dem Lockdown geführt werden. Andere Interviews stehen noch aus. Wie geht die Gruppe da aktuell vor?
Die meisten Interviews haben wir tatsächlich noch vor dem Lockdown persönlich führen können. Inzwischen ist aber ein solches Interview natürlich nicht mehr möglich. Allerdings haben wir auch schon vor der Krise ein Interview übers Telefon führen müssen, weil unser Interview-Partner in Ungarn wohnt – diese Erfahrung konnten wir uns jetzt zu Nutze machen:
Da wir zu einigen Experten bzw. Betroffenen schon Kontakt aufgenommen hatten, die wir für unser Thema total spannend fanden und auf deren O-Töne wir deshalb nur ungern verzichten wollten, gehen wir nun [...] so vor: Der Interview-Teilnehmer spricht mit unserem „Redakteur“ über eine Festnetzverbindung und nimmt sich dabei zeitgleich mit einer Aufnahme-App übers Handy selbst auf. Die Audio-Datei übermittelt er uns im Anschluss, etwa über WeTransfer oder ähnliche Tools.
Wie wird aktuell die Produktion der Sendung geplant?
Momentan sind wir noch damit beschäftigt, Interviews zu führen, zu transkribieren und Beiträge zu schreiben – zur Produktion der Sendung haben wir noch gar keine Pläne gemacht. Aus meiner Erfahrung mit vorherigen Radio-Seminaren gehe ich nicht davon aus, dass die Sendung produziert werden kann, wenn man sich nicht persönlich trifft. Seitens des Kultusministeriums ist es für dieses Schuljahr nicht mehr vorgesehen, dass P-Seminare zum Präsenzunterricht erscheinen – auch weil sie ja ganz andere Arbeitsformen als den Frontalunterricht verlangen, welche aktuell aus Infektionsschutzgründen nicht durchgeführt werden dürfen.
Ich hoffe, dass die Situation im Herbst eine andere sein wird und dass wir dann mit den Vorarbeiten, die wir aktuell leisten, eine interessante und stimmige Sendung produzieren können.
Sie haben von der BLM einen Radio-Coach zur Verfügung gestellt bekommen. Die Redakteurin Lidia Wagner von der BLR unterstützt die Gruppe in journalistischen und technischen Fragen. Wie läuft da aktuell die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit ist natürlich nicht ganz einfach, weil wir ja auch den Coach nicht sehen können. Lidia hat aber einen Podcast für die Schüler*innen produziert, in dem sie ihnen erklärt, wie man von den O-Tönen zu einem fertigen Beitrag kommt. Sie steht uns auch als Ansprechpartnerin zur Verfügung: Ich telefoniere mit ihr und informiere sie über unsere Fortschritte, und die Seminarteilnehmer wenden sich mit radiotechnischen Fragen per Mail an sie. Aktuell versuchen wir, ein datenschutzrechtlich unbedenkliches Tool zu finden, so dass wir als Gruppe auch mit ihr chatten können. Über das Schülerportal ist das leider nicht möglich, da hier nur Mitglieder der Schulfamilie „Zutritt“ haben.
Haben Sie Tipps für andere Radio-AGs und P-Seminare?
Das finde ich schwierig – ich glaube nicht, dass ich hier gut als Ratgeber fungieren kann, weil die Situation an den Schulen vor Ort ja jeweils eine ganz andere ist. Das Vorgehen hängt immer stark von der Größe des Seminars, der Motivation der Schüler und auch von den technischen Voraussetzungen vor Ort ab, insbesondere aber von der Themenwahl: Es gibt bestimmt viele Themen, die es erfordern, O-Töne vor Ort zu sammeln, so dass eine bloße Aufnahme von Interviews übers Telefon nicht passend und nicht zielführend wäre.
Vielen Dank an Katharina Müller für das Interview!